Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein

Cover
Titel
Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein.


Herausgeber
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein
Erschienen
Zürich 2013: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
1093 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christoph Maria Merki, WSU, Historisches Institut der Universität Bern

Anzuzeigen ist hier eine bemerkenswerte Leistung, vor der man nur den Hut ziehen kann: Nach gut zwei Jahrzehnten Erarbeitungszeit erscheint das Historische Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, ein – wie es sich selbst nennt – «Pionierwerk», das das kleine Land am östlichen Rand der Schweiz in all seinen Facetten beschreibt. Das Lexikon enthält 2600 Artikel, 510 Fotografien und 232 Tabellen, Grafiken, Stammtafeln und Karten. Um die Grösse dieser Leistung zu ermessen, reicht es, auf die heutige Bevölkerungszahl des Fürstentums Liechtenstein hinzuweisen: 37 000. Es gibt in Liechtenstein weder einen Lehrstuhl für liechtensteinische Geschichte noch eine geisteswissenschaftliche Fakultät – gleichwohl zeichnen sich die Artikel des Lexikons durch ein konstant hohes, professionelles Niveau aus. Voraussetzung für diese Professionalität war einerseits die bereitwillige Unterstützung durch die öffentliche Hand, andererseits ein Redaktionsteam, das sich voller Begeisterung an die anspruchsvolle Aufgabe machte.

Die Wurzeln des Projekts reichen in die 1980er Jahre zurück: Damals überlegte man sich, ob und allenfalls wie das Fürstentum Liechtenstein in das Historische Lexikon der Schweiz (HLS) einzubeziehen wäre. 1988 ging der Historische Verein für das Fürstentum Liechtenstein in die Offensive: Er sprach sich für ein eigenständiges Werk aus und übernahm die Trägerschaft. Allerdings blieb die Kooperation mit dem HLS über all die Jahre bestehen. Als Projektleiter wurde der Balzner Historiker Arthur Brunhart gewählt. Er erarbeitete die Konzepte, verfasste die Stichwortlisten und sprach schon in den 1990er Jahren die ersten Autoren an. Verpflichten liessen sich schliesslich praktisch alle Spezialisten, die sich je mit liechtensteinischer Geschichte beschäftigt haben. Dies war auch nötig, denn sie waren nicht für langwierige Archivrecherchen bezahlt, sondern eher für das Zusammentragen und Ordnen schon vorhandener Erkenntnisse. 2001 ging die Trägerschaft vom Historischen Verein direkt auf das Land Liechtenstein über. Gleichzeitig wurde eine feste Redaktion eingerichtet, der im Laufe der Jahre die jungen Historiker Fabian Frommelt (Redaktionsleitung), Patrick Sele, Donat Büchel, Jürgen Schindler, Roswitha Feger-Risch und Julia Frick angehörten.

Das Lexikon deckt alle Epochen ab, von der Steinzeit bis zur Gegenwart, von den Römern bis zu den Liechtenstein, wobei der zeitliche Schwerpunkt auf den beiden letzten Jahrhunderten liegt. Wirtschaft und Gesellschaft werden genauso behandelt wie Politik und Kultur. Die Musik ist also genauso ein Thema wie der Sport, die Schule, die Industrialisierung, das Gesundheitswesen oder die Landwirtschaft. Zahlreiche Fotografien illustrieren die beiden Bände und laden zum Schmökern ein. Ein besonderes Augenmerk gilt den Beziehungen zu den Nachbarländern, sei es auf regionaler Ebene (Werdenberg, Sargans, Feldkirch), sei es auf bilateraler Ebene (zum Beispiel Währungsvertrag mit der Schweiz). Zu den Kernstücken des Lexikons gehört die umfassende Präsentation der elf Liechtensteiner Gemeinden Balzers, Eschen, Gamprin, Mauren, Planken, Ruggell, Schaan, Schellenberg, Triesen, Triesenberg und Vaduz. Sogar beim Haupt- und Residenzort Vaduz handelt es sich mit seinen 5000 Einwohnern nach herkömmlichen Massstäben nach wie vor um ein Dorf. Gleichwohl sind die 15 Seiten, die dieser Gemeinde gewidmet sind, erkenntnisreich.

Bei den biographischen Artikeln liess man sich vom Grundsatz leiten, möglichst jede Persönlichkeit von historischer Bedeutung (darunter auch zahlreiche noch lebende) abzuhandeln. Über die Familienartikel ist fast jeder Liechtensteiner auf die eine oder andere Art im Lexikon vertreten. So erfahren wir etwa, dass 1990 42 Personen den Namen Allgäuer trugen und dass das Geschlecht aus Eschen seit 1555 nachgewiesen ist. Natürlich wird auch die seit drei Jahrhunderten wichtigste Familie des Landes, die der Liechtenstein, ausführlich vorgestellt. Insgesamt werden 49 Vertreter der Dynastie, darunter 18 weibliche, mit Biographien gewürdigt. Zwar haben sich die Beziehungen zwischen der Landes geschichte und der Dynastiegeschichte in den letzten Jahrzehnten ein wenig gelockert, sie sind aber nach wie vor eng, was sich zuletzt beim sogenannten Verfassungsstreit zeigte: Er erschütterte die liechtensteinische Innenpolitik in den 1990er Jahren und endete 2003 mit einer Volksabstimmung zugunsten einer politisch starken Monarchie.

Über die Notwendigkeit einzelner Lemmata kann man wie bei jedem Lexikon geteilter Meinung sein, und wie immer reiten einige Autoren voller Enthusiasmus ihr Steckenpferd. Insgesamt jedoch ist die ordnende Hand der Redaktion ständig spürbar, was dem Werk guttut und es aus einem Guss erscheinen lässt. Im Gegensatz zum HLS ist das HLFL nicht in einer elektronischen Version verfügbar. Es wäre sehr zu wünschen, dass eine online-Version geschaffen und das Wissen auf diese Art und Weise auf dem aktuellen Stand gehalten werden könnte. Liechtenstein befindet sich nämlich in einem starken Wandel: Der Finanzplatz muss sich von seinem traditionellen Modell verabschieden und verfolgt neuerdings eine Weissgeld-Strategie, und das Land, das während langer Zeit Überschüsse erwirtschaftete, muss zum ersten Mal seit der Krise der 1930er Jahre wieder sparen lernen.

Zitierweise:
Christoph Maria Merki: Rezension zu: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein. Vaduz, Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein / Zürich, Chronos Verlag, 2013. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 64 Nr. 1, 2014, S. 148-150.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 64 Nr. 1, 2014, S. 148-150.

Weitere Informationen
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit